Öffentliche Kunst in Hannover

flusswärts 2: Plastische Annäherungen an das Phänomen der schwarzen Löcher

Die Installation besteht aus sieben unterschiedlich großen und unterschiedlich geformten Objekten aus schwarzem Gußasphalt. Die Objekte sind recht einfache geometrische Formen, die nach außen wenige verschiedene Flächen aufweisen, Dreiecke, Rechtecke. Das größte Objekt hat jedenfalls die höchste Symmetrie, die Flächen sind Quadrate und gleichseitige Dreiecke.

Bei den Objekten ist der Herstellungsprozeß noch erkennbar, der Gußasphalt wurde offenbar in eine entsprechende Form gegossen, wobei eine Seite offengeblieben ist. Nach Abkühlung und Ablösung der Formen ergeben sich so ebene, spiegelnde, glatte Flächen. Nur die offengebliebene Seite ist nicht glatt, sondern durch Guß und Abkühlung strukturiert. Je nachdem, ob etwas zuviel oder zuwenig Material verwendet wurde, krümmt sich die Fläche entweder unregelmäßig vor oder ist etwas eingesackt.
Allerdings ist der verwendete Gußasphalt offenbar nicht komplett homogen - an den meisten Stellen ergibt sich die glatte, geschlossene Fläche, an anderen Stellen bleibt das Material körnig mit Zwischenräumen, was der jeweiligen Form eine deutlich komplexere Oberflächenstruktur verleiht.

Die massigen spiegelnden schwarzen Klötze werden gerade durch ihre Fremdartigkeit in der Grünanlage zu echten Hinguckern, die auffallen. Sie scheinen ein Geheimnis zu bergen, machen neugierig, sie zu verstehen.

Hinsichtlich des Titels fällt mir spontan ein Poster von Kollegen aus der Theoretischen Physik ein, einst für einen Tag der offenen Tür oder soetwas erstellt - darauf wurde gefragt: 'Haben Schwarze Löcher Haare?' Nunja, da sieht man, auch Theoretiker verstehen es, ihrer schmutzigen Phantasie Ausdruck zu verleihen. Jedenfalls stellt sich aber auch dort die Frage der Form und den charakteristischen Eigenschaften einer solchen Struktur. Wie so oft in der Physik, solch lustige Bezeichnungen wie Schwarzes Loch weisen immer darauf hin, daß man zumindest zum Zeitpunkt der Benennung keine Ahnung davon hatte, wie solch ein Objekt wirklich funktioniert. Dies jedenfalls wird auch als Singularität im Raum bezeichnet. Singularität hingegen ist ein mathematisches Konzept, welches ansonsten in der Physik eher auf ein vereinfachendes Modell hinweist - in diesem Falle weiß man allerdings noch nicht, wie das genauere Modell aussehen sollte.
Da gibt es jedenfalls so viel Masse dicht zusammen, daß der Raum so weit gekrümmt wird, daß das Licht nicht mehr herauskommt. Daher also 'Schwarz' und 'Loch' wegen der Singularität und weil man keine Ahnung hat, wie weit die Masse weiter in sich zusammenfällt, wenn sie erst einmal so weit ist, da keine Kraft bekannt ist, die dem entgegenwirken könnte. So oder so ahnt man, daß da was faul ist, entweder sorgt die Quantisierung oder ein noch unbekannter Effekt dafür, daß da nicht wirklich eine Singularität, also eine punktförmige Masse entstehen wird. Aber man bekommt eben keine Information darüber, weil man mit Licht nicht gucken kann und man gekrümmten Raum in so einer Situation eben innen drin nicht vermessen kann oder auch Gravitationswellen schwer meßbar sind - gut, man versucht sie erst einmal überhaupt zu messen.

Michael Zwingmann versucht sich also irgendwie vorzustellen, wie die Dinger aussehen könnten - warum aber gerade, reflektierende Flächen, wenn das Licht von realen Schwarzen Löchern verschluckt wird? Der sogenannte Ereignishorizont, also der Bereich, ab dem es kein Zurück mehr gibt, wo die Zeit anhält und zu Raum wird und umgedreht, hat der eine anschauliche Form? Ist das im einfachsten Falle nicht einfach kugelig? Oder aufgrund der Drehung solcher Objekte eher ein Rotationsellipsoid? Oder etwas Spiraliges? Auswirkungen vom Magnetfeld oder von Ladungen? Ergibt sich eine Form, wenn ein Teilchenpaar am Ereignishorizont spontan entsteht und das Teilchen im Diesseits dann doch entkommen kann, uns Information darüber geben, wie der Horizont geformt ist?

Was passiert eigentlich gemäß Relativitätstheorie am Ereignishorizont und für wen? Gehen wir von einem Reisenden aus, der direkt hineinfliegt, so passiert aus dessen Sicht erst einmal nicht besonders viel. Offenbar scheint die Zeit weiter draußen zunehmend schneller zu vergehen, ist aber auch zunehmend schlechter zu beobachten, weil die Beschleunigung zu einer Energieverschiebung des Lichtes führt. Die eigene Zeit geht natürlich erst einmal wie gehabt weiter. Ein Problem gibt es allerdings doch - je näher man dem schwarzen Loch kommt, desto größer wird der Gravitationsgradient, so daß irgendwann zwangsläufig das Raumschiff und der Reisende auseinandergerissen werden.
Für den Betrachter von außen scheint sich hingegen der Reisende immer langsamer zu bewegen und scheint dann schließlich kurz vor dem Ereignishorizont steckenzubleiben, zumindest über die Lebensdauer des Beobachters hinweg - wenn sich der Reisende samt Raumschiff nicht schon vorher aufgrund des Gravitationsgradienten zerlegt hat.
Von außen betrachtet scheint der Reisende also einzufrieren. Verglichen mit der Beobachtungszeit des Betrachters vergeht für den Reisenden kaum Zeit, entsprechend zieht sich ein potentielles Signal vom Reisenden immer weiter für den Außenstehenden auseinander, bis praktisch keine nennenswerte Intensität pro Beobachtungszeit mehr beim Außenstehenden ankommt - der Reisende erlischt, wo keine Zeit vergeht, kann auch keine Information ausgesendet werden. Überquert der Reisende den Ereignishorizont, reicht die Lichtgeschwindigkeit nicht mehr, um dem schwarzen Loch zu entkommen. Der Übergang ist also nicht scharf. Sendet der Reisende aus seiner Sicht mit immer gleicher Wellenlänge, wird diese für den Beobachter draußen immer länger, ist also immer schwieriger zu detektieren, es dauert für den Beobachter auch immer länger, die Information zu empfangen.

Aber gerade Flächen, Kanten, Ecken? Wohl eher nicht. Durch welchen Mechanismus könnte das bewirkt sein? Materie fällt spiralig in solch ein Loch, man darf also mit einer Akkretionsscheibe rechnen, teils wohl auch mit einem Strahl von Licht und Materie jenes Materials, welches nicht hineinfällt. Von daher wirken die Modelle eher skurril, ein Späßchen verglichen mit den mutmaßlichen Eigenschaften, die den Objekten von der Astrophysik und Relativistik zugeschrieben werden.

Aber wer weiß, wenn der Raum quantisiert ist oder in Strings aufgerollt ist - vielleicht ist ja innendrin doch irgendein skurriles Objekt mit überraschenden Symmetrien bis auf jenen Bereich, wo noch Materie zuströmt, zuviel ist oder noch fehlt, bis etwas Neues entsteht. Auch der Teilchenzoo wird ja durch Gruppensymmetrie bestimmt, ebenso wie die Stringtheorie. Vielleicht steckt ja ganz tief drinnen in Allem die Symmetrie und der spontane Symmetriebruch.

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