Öffentliche Kunst in Hannover

Wintergärten V: YouDu

Die Skulptur stellt eine mit 2.5m leicht überlebensgroße, anthropomorphe Gestalt dar, realisiert aus engem Drahtgeflecht, welches zumeist zu Zylindern oder Kegeln gebogen ist und mit Einweg-Clips zusammengehalten wird. Die Zylinder und Kegel sind dann so zusammengesetzt, daß der Eindruck einer anthropomorphen Gestalt entsteht. Einzelne Drähte stehen als Haare nach oben. Kleine Kegel sind sowohl als Brüste als auch als Penis angebracht, um den androgynen Aspekt der Figur zu betonen. Zu Füßen der Figur ist neben einem Scheinwerfer zur Beleuchtung bunter Spielzeugschrott auf einem Grundgitter verteilt. Sonntags, vor den Führungen wird dann die Figur jeweils mit Eiswürfeln gefüllt, also Beine, Arme, Körper und Kopf. Je nach aktueller Temperatur schmilzt das Eis dann unterschiedlich schnell ab und tropft oder läuft an dem Drahtgeflecht herunter.

Die Assoziation bei dem schmelzenden Wasser geht natürlich schnell zu schmelzenden Polkappen und Gletschern, der Spielzeugschrott wirkt da wie eine Gletschermoräne, was eben übrigbleibt, wenn unsere Ressourcen langsam wegschmelzen. Auch Trinkwasser ist letztlich eine Ressource, die an einigen Orten langsam knapp wird, es unterliegt zudem zunehmend einer Kommerzialisierung durch Nahrungsmittelkonzerne, die Quellen aufkaufen, um Wasser als Luxusgut vermarkten zu können. Mit dieser Kommerzialisierung einer fundamentalen Lebensgrundlage sind Verteilungskämpfe vorprogrammiert.

Das Schmelzen der Polkappen droht Meeresströme umkippen zu lassen, die Grundlagen des Wetters, des Klimas könnten sich in kurzer Zeit ändern. So scheint auch unsere dünne Schale der Zivilisation massiv von einer Schmelze bedroht zu sein. Mal schauen was kommt - ein neues Massensterben? Werden die Menschen dann zu den Aussterbenden oder zu den Überlebenden gehören? Wird von uns mehr bleiben als eine Moräne aus Müll am Ende unserer Zeit? Und dazu vielleicht noch Plastikmüllfelder irgendwo auf den Meeren? Sollte es irgendwann mal in Millionen von Jahren eine andere, intelligente Spezies geben, die archäologisch interessiert ist, was mag sie über uns herausfinden? Digital gespeicherte Information wird innerhalb von Jahrzehnten, Jahrhunderten komplett verschwunden sein, was bleibt ist der Müll, Plastik und radioaktiver Müll vor allem, darüber Zeugnis abgebend, warum es mit der Menschheit ein schnelles Ende nehmen mußte - wer alles verkonsumiert, verschwendet, dem bleibt irgendwann nicht mehr viel. Die Grundlagen erst der Kultur, dann des Lebens selbst schwinden, schmelzen dahin wie die Eiswürfel in der Figur.

Der Titel ist eine etwas merkwürdige Konstruktion, knüpft vermutlich ironisch an den Trend zum Denglisch an und an die Pseudoanglizismen. Also 'You' und 'Du', eine Doppelung, die Drahtgeflechtfigur stellt also uns selbst dar, in der Krise, wohl der sprachlichen sowohl als der existenziellen. Wie bei unterschiedlichen Stoffen schmilzt das eine eben schneller als das andere...

Beim ersten nennenswerten Schneefall am Sonntag den 2012-12-09 hat sich allerdings eine konzeptionelle Schwäche des Konzeptes gezeigt. Aufgrund der eingeschränkten Nutzbarkeit der Infrastruktur wurde offenbar nicht wie angekündigt Eis nachgefüllt, die Gittergestalt war als bis auf etwas Schnee leer, statt wie angekündigt per Eiswürfelfüllung auf das aktuelle Wetter reagieren zu können, also schmelzen oder nicht. Die Probleme an sich sind nachvollziehbar, aber auch im Winter prognostizierbar, also bei der Entwicklung des Konzeptes ein Faktor, den es eigentlich zu berücksichtigen gilt. So erweist sich das Projekt in der Praxis jedenfalls als nicht optimal für den Winter. Immerhin, der Spielzeugschrott bleibt so gnädig durch den Schnee verdeckt, die Gittergestalt wirkt etwas einsam ohne Eiswürfel.

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