Öffentliche Kunst in Hannover

Wintergärten V: Waschprogramm

Ein Video mit der Länge von 4 Minuten und 12 Sekunden wird in einer Kellergarage gezeigt, also nicht im Vorgarten, wie bei den anderen Werken der Ausstellung. Der Monitor in Form eines Röhrenfernsehers ist auf schwarzem Tuch wohl vor einer senkrecht aufgeklappten Tischtennisplatte aufgebahrt. Man steigt also ein Stück herab, um unten das Video zu gucken, hinab in eine jener vielen Grüfte, die dem deutschen Heiligtum, dem Personenkraftwagen gewidmet sind. Der Fernseher ist eine weitere Ikone der Konsumgesellschaft, dem besonders im letzten Jahrhundert durch täglich stundenlange Anbetung gehuldigt wurde - in diesem Jahrhundert ist die Verehrung zwar ungebrochen, wird allerdings mehr und mehr auch dem Computer zuteil.

Das Video nimmt Bezug zur Ausstellung, indem die Durchfahrt durch eine Waschanlage gezeigt wird. Dazu wurde offenbar die Kamera außen an ein Auto montiert, welches durch die Anlage fährt. Nicht nur die tonnenförmige Verzeichnung des Weitwinkelobjektivs, fast schon ein Fischauge, sorgt für stark surrealistische Effekte, auch die Wassertropfen und -spritzer, die rotierenden gelb-schwarzen Bürsten und Lappen - alles wird aus dieser Perspektive zu einem unterhaltsamen Wasserspiel weit jenseits des profanen Ablaufs einer Autowäsche.

Auch die rituelle Waschung des Autos ist tief verwurzelt in der religiösen Verehrung des Automobils und in der Tradition des letzten Jahrhunderts. Was über Jahrzehnte noch durch persönliche Opfergabe in Form einer persönlichen Waschung per Hand praktiziert wurde, wurde durch gesetzliche Änderungen mehr auf solche Waschstraßen verlagert, wo dann die persönliche Verehrung in einen sozialisierten und automatisierten Akt der Reinigung transformiert wurde.

Man denke auch daran, daß andere religiöse Rituale öfter mit Wasser verbunden sind - die Taufe etwa oder die Bekreuzigung, aber auch beim Abendmahl, bei dem ja Ersetzung von Wasser durch Wein den rituellen Saft etwas attraktiver macht. Schon von daher ist eine Segnung des Automobils mit Wasser also eine naheliegende Aktion.

Die Dokumentation solch einer rituellen Waschung im Video betont natürlich auch den religiös-esoterisch-transzendenten Aspekt der Automobilwaschung. Es findet durch die Waschung in der Hoffnung einer längeren Haltbarkeit natürlich auch der Aspekt der Unsterblichkeit Eingang in das Ritual, wie auch die Reinwaschung von allen Sünden - etwa der Umweltverschmutzung und Energievergeudung.

Wie schon die Unterbringung der Installation in einer Garage eine gewisse Distanz zum Ausstellungsthema Wintergärten signalisiert, so problematisiert sich dies bei schlechtem Wetter offenbar noch mehr. Trotz anderer Ankündigung blieb so etwa auch an den verschneiten Sonntagen den 2012-12-09 und den 2013-01-27 die Garage auch während der angekündigten Aufführungszeiten zu. Das paßt allerdings wiederum ganz gut zum Thema des Films, denn wer wäscht schon bei solchem Wetter sein Auto?

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