Öffentliche Kunst in Hannover

Wintergärten V: Kreuzfahrt

Die Skulptur besteht zum einen im unteren Bereich wohl aus einem Prototyp der Skulptur Shift (Wasserobjekt für das PZH) in Garbsen als Sockel, oben sind zum anderen zwei Schriftzüge aus Beton leicht verdreht aufgesetzt, auf dem Sockel im Wasser im Plexiglasbehälter und an der Horizontalen gespiegelt 'UNTERGANG' und drüber 'ÜBERFLUSS' richtig herum. Das Wasser zieht natürlich leicht in den Beton, deswegen ergeben sich unten an den Buchstaben des 'ÜBERFLUSS'es deutliche feuchte Stellen. Im gefrorenen Wasser trübt sich der 'UNTERGANG' deutlich ein und ist nicht mehr auf den ersten Blick zu lesen. Harmonisch bekommt so auch der Schnee eine Chance, sich gnädig vor und auf den 'ÜBERFLUSS' zu legen und ihn mit kalten Händchen zu umklammern.

Anders als Shift aus poliertem Metall ist der Sockel hier matt und leicht rostig-braun. Der Sockel ist schmal und länglich, also mehr lang als hoch und viel schmaler als hoch, dazu in der Längsrichtung gebogen, daß die beiden Seiten am Ende spitz zusammenlaufen. Somit ergibt sich zumindest im oberen Bereich ungefähr eine Bootsform.

Oben hat das Objekt eine gerade Kante, unten eine gebogene, kombiniert mit groben Zacken oder stumpfen Zähnen als sei es ein Ausschnitt aus einem monumentalen Zahnrad, also ein Bezug zu Technik und Industrie. Das Boot samt seiner Last hat also diese Basis, dies technische Fundament. Zusammen mit den Naturwissenschaften tragen diese natürlich das Konzept unserer Zivilisation, ohne sie wäre das Boot längst gesunken - oder es wäre längst nicht mehr genug Platz für alle darin. Doch mit effizienter und rücksichtsloser Nutzung der Technik beschleunigt sich noch der Zuwachs an Menschen und der Verbrauch der Ressourcen. Das Schiff wird immer schwerer - bis es sinkt.

Die Symbolik der Betonschriften ist recht einfach zu entschlüsseln, der Untergang wird zum Spiegelbild des Überflusses. Und mit Überfluß sitzen wir ja alle im selben Boot und paddeln - nur eben oft in verschiedene Richtungen.

Das Kentern und Absaufen scheint zwangsläufig daraus zu resultieren, daß über die Verhältnisse gewirtschaftet wird, nicht nachhaltig und mit Maß gewirtschaftet wird. Das kapitalistische, marktwirtschaftliche System beschleunigt das Prinzip der Verschwendung, weil es nicht im Interesse der Konzerne ist, effektive und langlebige Produkte zu produzieren, denn dies würde den eigenen Absatzmarkt in der Zukunft blockieren. Es gibt kein besonderes Interesse daran, sparsame Produkte zu produzieren, solange sie nicht nachgefragt werden - und so ein 1l-Öko-Stadtauto macht nun mal der immer noch autoverliebten Nation keinen Spaß. Elektroautos mögen ein nettes Spielzeug für Technikfreaks sein, aber was bringt es, wenn der Strom dafür mit Kernkraftwerken produziert wird und ganz zwangsläufig der Wirkungsgrad vom Energie-Rohstoff über das Kraftwerk, die Leitungen, die Akkus bis zum Motor viel niedriger ist als bei einem optimierten Verbrennungsmotor? All das bringt keine viel beschworene Wende, beschleunigt nur das Kentern, solange dieses System des Wirtschaftens nicht geändert wird.

Im Titel steckt ja auch das Wort Kreuz - und es ist das Kreuz bei dieser Kreuzfahrt, daß in verschiedene Richtungen gerudert wird und man eben nur ein Boot, eine Erde hat - man kann sich nicht absetzen und in Sicherheit bringen, es gibt keine Rettungsboote - und wenn es nicht gelingt, das Boot über Wasser zu halten, ist zumindest unsere Zivilisation vom Untergang bedroht. Die Erde, das Leben darauf ist robust, da können in einer globalen Katastrophe auch ruhig mal 90% der Arten wegsterben, über die Jahrmillionen gibt es da eine Erholung. Nur können wir uns wohl ziemlich sicher sein, daß der aggressive Mensch nur wenig Chancen hat, eine solche Katastrophe zu überleben - zumindest nicht als zivilisierter Mensch und über lange Zeit.

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