Öffentliche Kunst in Hannover

Storchenreiher

Für den Standort Stadtpark wird auch der leicht abweichende Titel 'Storchreiher' verwendet.

Störche und Reiher sind zwei unterschiedliche Unterfamilien der Schreitvögel - wie kommt es zu einem Storchenreiher? Fabelwesen? Kreuzung? Genmanipulation? Harth verblüfft uns hier mit einer scheinbar realistischen Darstellung eines irrealen Tieres.

Die Skulptur befand sich am Entenfangweg zur Zeit meines Besuches in einem sehr schlechten Zustand. Statisch war es ohnehin gewagt, die Skulptur auf zwei so dünne Beinchen stellen zu müssen. Vermutlich deswegen - oder durch eine frühere Überarbeitung? - ist die Figur durch ein inneres Stahlgerüst verstärkt, welches durch die zerfetzte Bronzeoberfläche in der Nähe der Füße zu erkennen ist. Offenbar wurden die aber nicht gegen Verdrillung fixiert. Ob nun durch Vandalismus oder durch übermütige Kinder oder weil jemand versucht hat, am Entenfangweg einen Storchenreiher von den Füßen zu hauen - offenbar wurde die Figur um die eigene Achse gedreht, wobei die Bronzeoberfläche an den Beinen zerstört wurde. Kinder nutzen alles als Spielobjekt - das mußte eigentlich gleich bei der Aufstellung bedacht werden, auch 1952 hätte man das ahnen können. Sofern zugänglich eignet sich für Schulbereiche eher eine Skulptur wie Nessi unter dem Bahnhof. Soetwas wie der Storchenreiher gehört mehrere Meter entfernt vom Ufer in einem Teich, etwa dem Maschteich oder einem der Teiche im Georgengarten. Ein Aufstellungsort mit Namen Entenfangweg bietet auch eine große Angriffsfläche für Leute, die es für witzig halten, ihre Kreativität zerstörerisch auszuleben.

Etwa 2012 wurde die Skulptur am Entenfangweg demontiert und restauriert und 2014 wieder am ursprünglichen Aufstellungsort im Stadtpark aufgestellt, auch hier schlicht auf dem Rasen, nicht in einem Teich, von daher bleibt es spannend, wie lange die dünnen Beinchen hier halten werden.

Die Skulptur wurde für die Bundesgartenschau 1951 im Stadtpark geschaffen, in welchem bereits seit 1935 eine Skulptur 'Fischreiher' von Ruth Meisner aufgestellt ist. Daneben gibt es weitere Skulpturen von Tieren oder Menschen, allerdings keine allein schon durch den Titel als fiktionale, irreale Wesen gekennzeichnete Werke, in dieser Hinsicht weicht diese Skulptur also bereits stark vom sonstigen Genre zur Zeit der Bundesgartenschau ab, vielleicht auch ein beabsichtigter, aber sehr gut getarnter Kontrapunkt zur Kunstausrichtung dieser Zeit, die in der Nachkriegszeit gerade durch heimelige Tierdarstellungen offenbar von den Problemen der Zeit und des vorherigen Krieges ablenken sollte. Gegenüber den vorherigen ein oder zwei Jahrzehnten ist man zwar vom Stil her, nicht notwendig aber bei der Motivwahl von denen der braunen Ära abgewichen, in welcher man Tierskulpturen oft noch gut als ausweichen vor dem Regime interpretieren kann, aber auch, wie am Beispiel von Arno Breker zu sehen ist, sehr linientreu umgesetzt werden konnte.
Konnte man in der Zeit kurz nach dem Krieg als Künstler wirklich nicht weiter gehen, als sich durch eine irreale Namensgebung zu distanzieren und gleichzeitig dabei zu sein? Oder hatte die 'Säuberung' der Kulturlandschaft Deutschland in der braunen Ära eine so durchschlagende Wirkung, daß auch Jahre nach Kriegsende nicht mehr drin war als annähernd realistische Tierskulpturen?

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