Öffentliche Kunst in Hannover

Der Mensch zwischen Mikro- und Makrokosmos

Das Mosaik ist mit ziemlich grober Auflösung aus unregelmäßigen bunten Scherben zusammengesetzt. Daraus ergibt sich ein gewisser Abstraktionsgrad des Motivs. Scheinbar unabhängig vom Motiv sind die Scherben so angeordnet, daß sich ungefähr ein rechteckiges Raster ergibt, welches allerdings nicht allzu auffällig ist.

Hauptmotiv ist ein dunkelblauer Umriß einer bekleideten menschlichen Figur auf hellgrauem Untergrund. Bis auf die Füße ist die Figur mit einem groben Kreis umgeben. Die Figur befindet sich in einer stark abstrahierten Landschaft. Als einzige mutmaßliche Vegetation ist rechts neben der Figur etwas zu erkennen, was als Busch mit roten Früchten interpretiert werden kann. Am Himmel ist ein Vogel (eventuell eine Taube oder ein Greifvogel) zu erkennen und ein unregelmäßiger roter sechsarmiger Stern erkennbar. Daneben gibt es am Himmel weitere bunte Scherben, die keiner konkreten Figur zugeordnet werden können.

Die Figur selbst wendet sich interessiert dem Busch zu, hält die Unterarme über Kreuz an den Körper gelegt.

Die kreisförmige Struktur um die Figur und der rote Stern haben keine Pendants, welche als reale Objekte zugeordnet werden könnten.

Da ich zunächst den Titel nicht kannte, habe ich erst einmal spekuliert, was dargestellt sein könnte:
Interpretationen, was das zu bedeuten haben mag, können vielfältig sein. Seestern für den roten Stern wäre nicht unmöglich, die haben aber eher fünf als sechs Beine, sechs ist aber auch möglich. Da allerdings der Vogel relativ eindeutig ist, erscheint es unwahrscheinlich, daß es sich um eine Unterwasserszene handelt, dann wäre die runde Struktur vielleicht so etwas wie eine Taucherglocke und der Vogel würde nach Fischen tauchen. Auch in dem Falle wäre der Seestern aber eher unten und nicht oben.
Bei dem mutmaßlichen Entstehungsdatum und an der Fassade einer Schule in Hannover erscheint ein Weltraumfahrer-Motiv auch eher unwahrscheinlich, ebenso die Landung von Außerirdischen. Der rote Stern könnte dann ein Raumschiff sein, die runde Struktur ein Schutzfeld oder eine Schutzatmosphäre. Statt einem Vogel könnte es sich dann auch um eine Raumfähre handeln.
Person in der Wüste mit Busch könnte auch etwas Religiöses sein - Christus in der Wüste, vor einem Busch, der eine Versuchung darstellt - oder einfach etwas zu essen oder der Stern eine Erscheinung. Oder auch Moses mit brennendem Dornbusch, die roten Kacheln im Busch können ja auch Flammen darstellen...

Auf Nachfrage bei der Goetheschule habe ich den Titel des Mosaiks erfahren und auch einen kurzen Absatz von der Künstlerin über die Intentionen. Das Werk wurde innerhalb eines Wettbewerbes auserkoren und hat direkten Bezug zu Goethes Weltverständnis - und das der Künstlerin natürlich.

Demnach zeigt es den in den Erdkreis hineingestellten Menschen. Der Erdkreis wird repräsentiert durch Boden, Pflanzen, Tiere. Wie die Pflanze sei er im irdischen (dem Erdreich?) verwurzelt, während sein Geist im Fluge dem des Vogel über ihm gleiche. So vermag der Geist den Kreis von Raum und Zeit (also die Raumzeit) zu durchbrechen, um zum Licht, zum Ewigen, Unendlichen zu streben, hier repräsentiert durch einen Stern.

Im Vergleich zu meinen Hypothesen ergeben sich interessante Unterschiede hinsichtlich der Interpretation der Dinge. Während Kopfermann sehr pathetisch, poetisch argumentiert, bleiben meine Interpretationen eher näher am Diesseits. Das Licht der Sterne ist nicht ewig, die Raumzeit läßt sich nicht verlassen und der Geist, das Ich, das Denken ist ein Prozeß im Kopf, des Materiellen, also ausschließlich Bestandteil der verstehbaren Dinge, wenngleich man auch erdenken kann, was nicht real sein kann. Darin zeigt sich aber eher wohl nicht, daß der Geist über die Naturgesetze hinauskommt. Der Vogel braucht Luft, um zu fliegen und folgt natürlich ebenso Naturgesetzen wie ein Fisch im Wasser oder ein Wurm in der Erde. Es gibt kein Jenseits der Naturgesetze.

Eher zeigt sich in der Möglichkeit, zu denken, was nicht möglich ist, die praktische Beschränkung der Genauigkeit von Hypothesen, die vereinfachte Näherung des menschlichen Denkens beim Versuch, die Welt zu verstehen. 'Die Wahrheit' ist immer eine (naturwissenschaftliche) Näherung. Was eine gute Näherung ist, ist im steten Fluß und bestimmt sich dadurch, was die genauesten Messungen am besten beschreibt. Ob es eine erfahrbare Wahrheit gibt oder nur immer bessere Modelle, die die Welt genauer beschreiben, bleibt dabei philosophisch offen, ebenso was der Mensch mit seinem näherungsweisen Wissen anfängt oder anfangen sollte.

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