Öffentliche Kunst in Hannover

Der Mensch im Aufbruch

Der Mensch, repräsentiert durch einen nackten Mann, scheint mit nach vorne gestreckten Armen aus dem Stein herauszustreben, aus dem die Skulptur besteht. Während der hintere Teil der Skulptur also der rohe Steinklotz ist, sind vorne Teile eines Mannes herausgearbeitet: Ein Fuß, Oberschenkel, Penis, Oberkörper, Arme, Kopf.

Ob der Aufbruch nun so gemeint ist, daß der Mensch den Stein aufbricht, aus diesem herausbricht oder der Aufbruch als Beginn einer Reise, eines Weges zu verstehen ist, von dem der Mensch vom Stein zurückgehalten wird, ist nicht eindeutig zu erkennen. Es ist auch möglich, daß der Künstler im übertragenen Sinne den Stein aufbricht und diesem den Menschen durch seine Kunstfertigkeit entlockt.

Die Mehrdeutigkeit auch zwischen dem Entstehen aus dem Urmaterial oder dem drohenden Verschlingen durch das Urmaterial erzeugt eine interessante Spannung. Der Gesichtsausdruck des Mannes wirkt allerdings eher aufmerksam und weitgehend emotionslos. Da ist weder das Erstaunen des Entstehens noch der Schrecken des Verschlungenwerdens zu erkennen.

In der Seitenansicht könnte man die Strukturen auch so interpretieren, daß eine Art Transformation von hinten Block nach vorne Mann stattfindet. Was hinten noch eindeutig Steinblock ist, bekommt oben grob den Umriß eines Kopfes, dann noch einer, der noch kopfähnlicher wirkt, dort auch ein sich ausbildender Ellenbogen. So könnte man oben bis zu vier verschiedene Stadien der Transformation von Block zu Kopf ausmachen. Im unteren Bereich ist von solch einer mehrphasigen Transformation allerdings nichts zu sehen, dort dominiert der Block, aus dem nur ein voll ausgebildeter Fuß hervorguckt.

Jedenfalls strebt er konzentriert vorwärts, ohne aber als Steinskulptur jemals voranzukommen. Aber vielleicht ist es ja auch in mancher Beziehung mit der Menschheit so, jeder Wissenszuwachs, jede neue Idee oder technische Umsetzung scheint ein Aufbruch, ein Schritt voran zu sein, und doch kleben die Fehler der Vergangenheit und deren Folgen unabschüttelbar hintendran und bremsen, daß man ahnen kann, daß auch die neuen Umsetzungen Folgen haben werden, mit denen man in Zukunft konfrontiert werden wird. Nichts zu tun, hieße aber, durch die Fehler, die Schatten der Vergangenheit unweigerlich verschlungen zu werden. So gibt es den Zwang zum andauernden Fortschritt, aber alles läuft auch wie auf einer Tretmühle - immer voran, doch die Probleme sind im großen Überblick immer die gleichen. Der ewige Aufbruch wird zum Rundlauf, der alles fordert, um überhaupt Kopf und Hände zum Sein und Handeln freizubekommen.

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