Öffentliche Kunst in Hannover

Lindener Butjer

Über einer polierten Grundplatte erhebt sich ein rotes Gerüst, auf dem ein Knabe oder ein kleiner Mann liegt oder kniet, sich mit den Händen am Gerüst abstützt und durch dieses zu Boden blickt. Die Bekleidung, Kappe, Jacke, Hose wirken eher wie aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts.

Die Bedeutung des Begriffes Lindener Butjer hat sich im Laufe der Jahrhunderte verändert und ist wohl auch ortsabhängig. Gemeinhin ist Butjer eher ein Begriff für den einfachen Arbeiter. In der Geschichte von Hannover wurden als Butjer aber Leute bezeichnet, die von außerhalb von Hannover in die Stadt zur Arbeit kamen. Das einst eher ländlich geprägte Linden war selbständig wie zahlreiche andere Ortschaften, die heute Stadtteile von Hannover sind. Entsprechend wurden die Leute dann gemäß ihrer Herkunft eben Lindener oder Ricklinger etc Butjer genannt.

Im vorletzten Jahrhundert wurden dann eher die Knaben, Lausbuben Butjer genannt, die zu allerlei Streichen und Rangeleien mit anderen Kindern aufgelegt waren - darauf scheint sich der Knabe auf dem Gerüst zu beziehen, der offenbar auf etwas oder jemanden lauert, auf den er herabspringen kann. In gewisser Weise haben die Rangeleien zwischen Einwohnern verschiedener Stadtteile auch heute noch eine gewisse ritualisierte Tradition - bekannt ist vor allem der jährliche 'Kampf' mit nicht mehr verzehrfähigem Gemüse auf der Dornröschenbrücke zwischen einigen Bewohnern von Linden und der Nordstadt. Das Ereignis ist inzwischen eine geplante und etablierte Kultveranstaltung der alternativen Szenen beider Stadtteile. Der Bereich der Brücke wird sogar zu dem Zwecke improvisiert abgesperrt, um unbeteiligte Passanten vom faulen Gemüse fernzuhalten.

Heute bezeichnet sich eher als Lindener Butjer (fälschlich teilweise auch pseudoanglifiziert butcher), wer in Linden geboren und aufgewachsen ist und dort wohnt. Nach Möglichkeit sollten auch die Vorfahren aus Linden stammen. Dies ist insofern heute interessant, als Linden neben anderen Stadtteilen von Hannover inzwischen sehr multikulturell strukturiert ist, was am oft günstigen Wohnraum liegt, der wie in der Nordstadt nicht nur Studenten anzieht, sondern auch sonstige Zuwanderer mit knappem Budget.

Jedenfalls identifiziert sich sowohl der Ur-Lindener als auch der zugereiste Lindener mehrheitlich stark mit seinem Stadtteil, vom dem allerdings das Ihmezentrum als Fremdkörper ausgegrenzt wird. Der Lindener Butjer wie hier vor der Volksbank dargestellt, bildet eine Identifikationsfigur. Diese ist jedoch keine reale Persönlichkeit aus Linden, sondern weist wie beschrieben eher auf eine Bedeutungsverschiebung des Begriffes hin, einst abwertend gemeint, ist heute jemand stolz darauf, aus Linden zu kommen, wer sich als Lindener Butjer bezeichnet.

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