Öffentliche Kunst in Hannover

Kasperletheater

Die Bronzeskulptur zeigt, wie der Name schon andeutet, ein Kasperletheater, also eine kleine Bühnenstruktur, die nach vorne im oberen Bereich ein kleines rechteckiges Fenster als Bühne hat, in welchem mit Figuren gespielt werden kann. Im hinteren Bereich kommt der potentielle Spieler über Treppenstrukturen an die Bühne.

Als Darsteller gibt es den Kasper, der schlägt mit einer zusammengefalteten Zeitung oder etwas ähnlichem auf den Wolf ein, der schon erledigt vorne über der Bühnenkante hängt. Hinten an die Kante einer Stufe ist die Puppe eines Mädchens genagelt. Der Blick des bezimpfelmützten Kaspers ist aufs Publikum gerichtet, für welches er spielt. Der Blick ist ernst, sein Handeln ist kein Spaß. Der Blick des genagelten Mädchens ist leer, seitlich nach unten gerichtet. Der Mund ist irgendwie zu einem leichten, grübchenlosen, aufgesetzten Lächeln gefroren. Ihre Lage ist kein bißchen lustig.

Es gibt indes keine Darstellung desjenigen, der die Figuren führt, es wird also die Illusion dargestellt, die bei dem Schauspiel vor allem den jungen Zuschauern vermittelt wird, daß die Puppen oder Darsteller eigenständig und authentisch Handelnde sind. Wer die Puppen tanzen läßt, manipuliert, bleibt gesichtslos, körperlos, unsichtbar. Übertragen auf andere Medien unterliegen natürlich auch viele (Erwachsene) der Illusion, daß es sich um Realität handelt, was sie in solch einem rechteckigen Kasten vorgesetzt bekommen oder daß man aus den oft auf emotionales Miterleben optimierten Geschichten in solchen Kästen etwas fürs Leben lernen könnte, ohne die Darstellung selbst und auch das Dargestellte kritisch zu hinterfragen.

Nun ist solch ein Kasperletheater offenbar kein harmloser Spaß, es werden Konflikte, Gewalt gegenüber anderen thematisiert, was nicht von vorne herein schlecht sein muß. Da Enders hier aber den Wolf schon als geschlagen darstellt, der immer noch erbarmungslos vom Kasper weiter traktiert wird, zeigt sich bereits die kritische Auseinandersetzung mit der Thematik, was wie sinnvoll Kindern und Jugendlichen in Medien vermittelt werden sollte. Konflikte gehören zum Leben und gehören thematisiert, aber ohne moralisch zu hinterfragen, das Eindreschen auf wehrlose Opfer darstellen, Entwürdigungen?

Und warum ist das Kindlein, das Mädchen hinten an den Aufbau genagelt, untrennbar mit diesem verbunden, ohne selbst auftreten zu können? Ist es die Abhängigkeit der Darsteller, die dazu führt, daß diese keine Distanz zu ihrem Handeln, Darstellen mehr aufbauen können, nicht mehr über den Sinn ihres Handelns reflektieren können?

Sind die Kinder auch selbst auf Gedeih und Verderb an Unterhaltungsmedien gekettet, genagelt? Wird die Welt heute meist nur noch mittelbar durch solch ein Fenster wahrgenommen, sei es nun Fernseher, Monitor eines Rechners, Telephons? Was nehmen die Kinder heute noch direkt durch Begreifen, direkte Interaktion wahr? Wird noch selbst erlebt oder wird die Realität nur noch durch die Filter der Darstellung erlebt? Für wie wahr wird gehalten, was in dem Kasten dargestellt, behauptet, vorgeführt wird? In wie weit manipuliert dies die Werte der Zuschauer?

Die Inschrift hinter der Bühne auf Kaspers Schürze weist auch auf die Stifter hin, die mit der Stiftung für eine glückliche Kindheit in Ricklingen danken. Nunja, das Kindlein und der Wolf sind augenblicklich nicht glücklich. Der Kasper hat zwar gewonnen, gibt dabei aber auch kein besonders gutes Bild ab.

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