Öffentliche Kunst in Hannover

Großer Sockeltorso XX

Der Torso beginnt unten als Quader oder Stele mit quadratischem Querschnitt. Diese geometrische Form geht dann in den Torso eines gut genährten älteren Herren über. Bei der Bronzeskulptur fehlen die Arme mit einer Trennfläche, als seien sie bei einer Steinskulptur abgeschlagen worden. Der Übergang vom Quader zum Körper erfolgt ungefähr im Beckenbereich. Penis und Hodensack sind jedenfalls komplett ausgeformt. Ein Großteil des Rumpfes ist recht realistisch ausgeführt, der Bauchnabel und die Brustwarzen fehlen allerdings, beziehungsweise sind durch unregelmäßige, grobe, oberflächliche Lochstrukturen ersetzt. Auch ein paar Falten sind eher zu Rissen, fehlendem Material erweitert. Vom Kopf ist primär die Nase ausgeprägt, Mund und Augen fehlen.

Der Mann scheint sich förmlich aus dem Quader zu quälen. Den Körper hat er leicht zur Seite gebeugt, der Kopf neigt sich noch stärker. Gerade in der Reduktion der Gesichtszüge zeigt sich eine tiefe innere Qual.

Wohl im Scherze und zusätzlich zur vorhandenen korrekten Inschrift ist vorne unter der Skulptur eine zweite angebracht, auf welcher steht: 'Räuber Hanebuths letztes Opfer'. Jaspar Hanebuth (1607/1653) hat unter Folter zahlreiche Straftaten gestanden und ist wegen Raubmordes verurteilt und gerädert worden. Heute weiß man natürlich, daß erfolterte Aussagen eher die Wünsche des Folterers widerspiegeln, von daher kann nicht einmal sicher gesagt werden, ob Hanebuth wirklich ein Raubmörder war.

Jedenfalls paßt die Skulptur gar nicht zu dieser Historie, weil die Skulptur überhaupt nicht jemanden zeigt, welcher von außen durch einen anderen Schaden genommen hat. Vielmehr scheint das Sein und Werden der Persönlichkeit selbst Ursache des inneren Prozesses des Zerreißens, des Schmerzes und der Qual zu sein. Wer sollte ihm sonst so das Gesicht nehmen und ihn sich gleichzeitig erst aus einem Quader entwickeln lassen?

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