Öffentliche Kunst in Hannover

Denkmal für den unbekannten Deserteur

Das Denkmal besteht aus einem Sockel aus Beton oder ähnlichem, welches einen Stahlhelm und einem Paar (Soldaten-?)Stiefel teilweise umschließt und fixiert und hat zudem eine dem Titel entsprechende Inschrift. Ferner sind im Sockel Fußspuren der Stiefel und Füße zu erkennen. Von Gedenkenden werden zudem oft gern Topf- oder Schnittblumen hinterlegt. Wie bei einigen Gräbern findet man zudem bisweilen auch noch eine Kerze im roten Plastikbecher, ein sogenanntes 'ewiges Licht' aus der christlichen Glaubenssymbolik stammend. Diese temporären Objekte können als auch nicht zum eigentlichen Werk gehörig betrachtet werden, sind vermutlich eher Beiträge zum Thema von weiteren Interessierten oder Betroffenen.

Offenbar werden mit den Utensilien die abgelegten soldatischen Identifikationsmerkmale thematisiert. Durch das Ablegen werden diese zur abgelehnten Vergangenheit, verbleiben aber unweigerlich als Spuren in der eigenen Biographie, die auch Einfluß auf die Zukunft haben, selbst wenn der Deserteur nicht erwischt wird. Die Spuren im Grund und das Umschließen der Utensilien zeigt deutlich, daß mit dem Ablegen die Sache nicht erledigt ist. Es bleibt immer was zurück. Die Gefahr des Entdecktwerdens, der Bestrafung bleibt bestehen. Die als Fehler erkannte Entscheidung oder Handlung aus Zwang kann ebensowenig rückgängig gemacht werden wie die Taten als Soldat selbst. Immerhin geht mit der Entscheidung zum Desertieren einher, daß der Deserteur den bisherigen Weg nicht weiter beschreiten will. So führen die Spuren der Stiefel zu den Utensilien hin, aber die Spuren bloßer Füße wieder weg, die Spuren des Deserteurs verlieren sich dann. Im wirklichen Leben wurden viele gefaßt und ermordet.

Die Akzeptanz des Desertierens hat sich wenigstens in Bezug auf die Zeit des Nazi-Regimes deutlich erhöht. Wer da irgendwann nicht mehr mitmachen wollte, wurde zwar auch ermordet, wenn man seiner habhaft werden konnte. Im Nachhinein war aber Vielen immerhin nachvollziehbar, daß man bei sowas nicht auch noch mitmachen wollte.

Auch bei anderen Gelegenheiten ist das Desertieren natürlich nachvollziehbar - wenn man zum Militärdienst verpflichtet oder gezwungen wurde - wenn die Befehle oder die Konsequenzen daraus nicht mehr den ursprünglichen Zielen entsprechen, wenn allgemein Menschenrechte verletzt werden - oder der Soldat einfach unter dem Eindruck der Schlacht zu neuen Erkenntnissen über die Sinnlosigkeit seines blutiges Geschäftes kommt. Es kann viele plausible Gründe dafür geben, warum man nicht töten will und auch selbst nicht getötet werden will - eventuell hat man ja auch noch andere, persönlich wichtigere Ziele. Eigentlich gibt es kaum Gründe, warum man töten sollte, zumindest außerhalb des Krieges gilt Mord allgemein nicht als sozial akzeptabel. Warum sollte eine Auseinandersetzung zwischen Staaten oder Gruppierungen da andere Moralvorstellungen erfordern?

Die Erfordernis des Tötens wird oft aus der bestimmten Situation heraus konstruiert. Die Gründe sind in einer jeweiligen Situation leicht nachvollziehbar, wo das eigene Leben auf dem Spiel steht. Im Falle eines Krieges allerdings wird diese Situation für den Soldaten ja konstruiert und ist somit keine Notsituation, wie sie etwa bei einem Polizisten vorliegen kann, der mit Waffen bedroht wird, während er versucht, die soziale Ordnung zu bewahren. So oder so ist die Tötung immer vorrangig auch vom Tötenden zu verantworten, ob nun mit oder ohne Befehl, wobei den Befehlenden zusätzlich Verantwortung zukommt, die die des Tötenden aber nicht ausschließt. Die Motivation des Deserteurs ist also nachvollziehbar. Sein Handeln hat zwar nicht die totale Konsequenz des Verweigerers. Sie resultiert mehr aus der Erfahrung, dem Lernprozeß. Je nach Regime wurde allerdings auch nicht zwischen Verweigerern und Deserteuren unterschieden. Beides resultiert letztlich aus dem Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, was immer gefährlich für hierarchische Strukturen wie militärische Organisationen ist.

So jedenfalls hat sich das Denkmal auch als Treffpunkt für pazifistische oder antimilitaristische Kundgebungen etabliert, was ja auch recht naheliegt.

Wohl 2012 wurde die Skulptur 'überarbeitet' oder sagen wir mal bunt bemalt, also Helm grün und Betongrund in zwei Brauntönen. Zwei Fußstapfen der Schuhe sind im helleren Ton gestrichen, dazu gibt es noch die Buchstaben 'N' links neben den bemalten Fußstapfen und rechts davon 'MORE WAR'. Unglücklicherweise wurden dabei auch noch die Fußstapfen der nackten Füße heterogen überpinselt, vermutlich wurden sie von den Pinselern nicht als solche erkannt, es handelt sich also vermutlich um andere Akteure als jene, die das Original erstellt haben. Meiner Ansicht nach ist die Schrift ja auch redundant bei einem entsprechend betitelten Mahnmal - zumal gar nicht soooo eindeutig ist, was die Botschaft der Buchstaben eigentlich bedeuten soll.

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