Öffentliche Kunst in Hannover

Der Schwimmer

Die Skulptur zeigt nicht etwa, wie der Titel nahelegt, einen schwimmenden Menschen, sondern einen nackten Herren am Strand, der sich gerade anzuschicken scheint, in den Maschsee zu springen, was ihm zumindest an der Stelle und mit dem Abstand zum Wasser nicht zu raten ist, das kann eine harte Landung werden. Und wer weiß - vielleicht steht er dort deswegen schon seit Jahrzehnten mit konzentriertem Blick, nicht einen Schimmer eines Lächelns im Gesicht und wartet vielleicht auf Hochwasser, weil ihm entgangen ist, daß der Wasserstand reguliert wird. In Gesichtsausdruck und Haltung ist kein bißchen Badespaß zu erkennen, wie ihn jeder nebenan am Strand und auf der Wiese des Strandbads erleben kann. Dem Herren hier ist es ernst - springen oder nicht springen, eine existentielle Frage, dies philosophische Dilemma ist tief in jede Faser, jeden Splitter vielmehr seines Körpers eingegraben.

Auf Abbildungen sieht man den Herren übrigens meistens von hinten, weil er hinter einem Zaun im Strandbad steht und nur von dort von der Seite zu sehen ist - oder vom Boot vom Maschsee her von vorne. Wenn im Winter der Maschsee zugefroren ist, kann man natürlich auch über das Wasser zum Herren gehen. Obgleich nackig scheint ihm auch nicht kalt zu werden und er schickt sich auch dann noch an, aufs Eis zu springen, da kennt der nichts, ein harter Bursche also, was aber auch daran liegen kann, daß es ja eine Bronzefigur ist.

Angeblich mußte diese Skulptur schon das Ende des zweiten Weltkrieges und den Wiederaufbau danach abwarten, bevor sie dann doch noch aufgestellt wurde, also ein wirklich routinierter Steher, der Schwimmer. Frei nach Wilhelm Busch, ein alter hannöverscher Student übrigens, symbolisiert der Schwimmer damit natürlich auch das ewige Zielen und niemals Losdrücken können, also die platonische Liebe. Er ist kurz davor, aber nicht drin.

Das ewige Warten, ewig auf dem Sprung sein, ohne loszulegen, weckt natürlich auch kafkaeske Assoziationen. Das Bedürfnis, jeden Tag die Welt neu im Kopf erfinden zu müssen, statt einfach hineinzuspringen, dürfte vielen vertraut sein - und dieser zur Skulptur erstarrte Selbstzweifel, diese unüberbrückbare Trennung zwischen dem Ich und der Welt ist hier mit der Unfähigkeit des Schwimmers, in den See zu springen, in Bronze gegossen.

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