Canon EF 8-15mm f/4L Fisheye USM (Beschreibung und Erfahrungsbericht)

Anfang Dezember 2011 habe ich mir als Zubehör für die Canon EOS 5D Mark II das Fischaugen-Varioobjektiv Canon EF 8-15mm f/4L Fisheye USM zugelegt.

Da das Objektiv erst 2011 auf den Markt gekommen ist, also nachdem ich die Kamera gekauft habe, hat letztere zumindest ohne Aktualisierung der internen Programme keine Korrekturdaten für das Objektiv vorrätig. Chromatische Abberation etc erweisen sich aber auch so als recht gering. Das Gleiche gilt für die Vignettierung in dem Bereich, wo ein Bild sein soll. Der Übergang zwischen unbelichtetem Bereich und belichtetem Bereich ist diffus und besonders bei Himmel im Bildausschnitt bläulich. Bei starken Helligkeitskonstrasten, etwa bei Baumästen vor hellem Himmel fallen bei voller Auflösung leichte Farbsäume im Pixelbereich an den Ästen auf. Ansonsten sind die Abbildungseigenschaften des L-Objektivs erwartungsgemäß gut, ebenso wie der Autofokus, der zugegebenermaßen wegen der großen Schärfentiefe in dem Brennweitenbereich nicht viel zu tun hat. Bei Gegenlichtaufnahmen, die bei Fischaugenobjektiven zwangsläufig häufig sind, halten sich auch die Geisterabbildungen und Reflexe in Grenzen und treten wenn überhaupt eher als lokale Artefakte auf, nicht als globale diffuse Konstrastminderung.

Bei der Brennweite von 8mm ergibt sich das für Fischaugenobjektive typische runde Bild mit einem Durchmesser von knapp 24mm auf dem Sensor oder je nach eingestellter Entfernung einem Durchmesser von 3600 bis 3700 Pixeln. Da der Sensor auch in der schmalen Richtung ein paar Pixel mehr hat, noch ein paar mehr im Rohdatenformat, ist der Anschlag also nicht sehr präzise einzustellen, um dennoch runde Bilder zu erhalten. Ab gut 14mm bis 15mm wird dann der komplette Sensor ausgeleuchtet. Auch da ist kein präziser Anschlag notwendig, um den kompletten Sensor auszuleuchten.
Bei kleineren Sensoren gibt es entsprechend kein rundes Bild bei kleinster Brennweite, dafür aber Markierungen und einen Knopf, um für die kleinen Sensoren die Brennweite mit maximalem Bildwinkel bei voller Ausleuchtung des Sensors einzustellen.
Die Brennweiten dazwischen jedenfalls führen immer zu einer nur teilweisen Ausleuchtung des Sensors. Auch diese können allerdings gut genutzt werden, um bei einem anderen gewünschten Aspektverhältnis des Bildes als das des Sensors die verwendete Pixelzahl zu maximieren. Kommt es darauf hingegen nicht so an, ist die kleinste Brennweite immer ein guter Ausgangspunkt, um in der Nachbearbeitung das Aspektverhältnis festzulegen, ohne sich bei der Aufnahme bereits darum kümmern zu müssen.

Canon gibt bereits beim Handbuch an, daß Objektiv und Sensor nicht präzise zueinander zentriert sind. Der genannte kleinere Bilddurchmesser bei kleinster Brennweite reicht jedenfalls immer, damit nichts vom Kreis fehlt. Bei meiner Kamera stimmt die Zentrierung so oder so recht gut.

Neben dem Objektiv gibt es wie üblich bei L-Objektiven eine Gegenlichtblende, die natürlich nur bei den großen Brennweiten verwendbar ist und einen Objektivbeutel. Der Frontdeckel ist an der Gegelichtblende befestigt, man kann beides zusammen abnehmen oder den Deckel einzeln. Leider kann es passieren, daß beim Auspacken aus meinen Photorucksack der Deckel von selbst abfällt, die Deckelhalterung ist also nicht besonders gut durchdacht. Bei Fischaugen-Objekten lassen sich ja prinzipiell keine Schraubfilter anbringen. Canon bietet stattdessen an der Rückseite eine Aufnahme für Folienfilter.

Wegen der kleinen Brennweite und der kleinen Naheinstellgrenzen weist Canon im Handbuch darauf hin, daß vor den Aufnahmen auf eine fussel- und staubfreie Frontlinse zu achten ist, weil solcher Schmutz sonst leicht mehr oder weniger scharf auf dem Bild abgebildet werden kann. Eine spezielle Beschichtung soll zudem die Reinigung erleichtern und das Verkratzen erschweren. Vorsichtshalber hat Canon gleich einen einfachen Lappen beigelegt.
Ein anderer Hinweis noch für Nahaufnahmen mit dem Objekt von mir - wenn etwas beim Blick durch den Sucher bereits halbwegs groß aussieht, wird eine weitere Annäherung in der Frontlinse enden. Man sollte also vor dem ersten Praxiseinsatz mit plüschigweichen Objekten einzuschätzen üben, was nah dran ist, damit der erste Einsatz nicht bereits der letzte ist, weil irgendwas die Frontlinse zerkratzt ;o)
Das Gleiche gilt natürlich auch für Aufnahmen etwa von wilden Tieren oder Automobilen - wenn das Motiv groß im Sucher erscheint, heißt das Krankenhaus oder Sarg, je nachdem, was vom Photographen übrigbleibt...
Nicht umsonst verwenden praxisnahe Photographen für solche Motive eher Fernobjektive.

Zur Funktionsweise von Fischaugenobjektiven im Vergleich zu Superweitwinkelobjektiven ist anzumerken, daß Fischaugenobjektive praktisch flächentreu (raumwinkeltreu) abbilden; gerade Linien, die durch die Mitte des Bildes laufen, werden als gerade Linien abgebildet. Bei idealen Superweitwinkelobjektiven hingegen ist eher das konstruktive Ziel, daß alle geraden Linien auf gerade Linien abgebildet werden sollen. Das hat bei diesen zur Folge, daß besonders Objekte nach am Objektiv und am Rand des Bildes stark verzerrt werden. Um dies zu erreichen, werden bei Superweitwinkelobjektiven oft asphärische Linsen eingesetzt.
Wegen des Spiegels in der Kamera hat diese auch ein deutlich größeres Auflagemaß als die Brennweite beider Objektivtypen, was spezielle konstruktive Tricks erfordert, ähnlich wie bei Teleobjektiven, bei denen dadurch umgekehrt die Baulänge kürzer als die Brennweite ausfallen kann.
Weil mit Fischaugenobjektiven die komplette Halbkugel vor der Linse auf den endlich großen Sensor abgebildet werden soll, der zudem eben ist und sich irgendwo weiter hinten im Gehäuse befindet, ist es zwangsläufig nicht möglich, sowohl flächentreu (raumwinkeltreu) zu bleiben als auch alle geraden Linien auf gerade Linien abzubilden. Dadurch ergibt sich die charakteristischen Krümmung von geraden Linien, die nicht durch die Bildmitte laufen. Dafür werden etwa Kugeln immer als Kugeln abgebildet und nicht wie bei Superweitwinkelobjetiven als Ellipsoide.

Wieso bekommen wir von solchen Problemen mit unseren Augen nichts mit? Auch die berühmten stürzenden Linien fallen uns ohne Kamera meist nicht auf. Dies hat mehrere Gründe. Zwar können wir mit zwei beweglichen Augen zusammen mit dem Gehirn zumindest seitlich auch fast einen Blickwinkel von 180 Grad wahrnehmen (nicht zwangsläufig alles bewußt, wir bekommen aber mit, wenn sich direkt neben uns was tut), aber dafür bildet das Auge auch nicht auf eine ebene Fläche wie den Sensor einer Kamera ab, sondern mehr oder weniger auf eine Kugelschale. Zum anderen gehören die Augen eigentlich direkt zu Gehirn, welches die Information beider Augen erst zu einem Seheindruck interpretiert. Da wird viel aggressiver gefiltert und korrigiert, als man das mit jedem Bildbearbeitungsprogramm in gleicher Zeit hinbekommen könnte.
Von daher liegt es zum guten Teil am ebenen, einfachen Sensor und Bildschirm, daß Abbildungen von großen Bildwinkeln immer irgendwelche Artefakte aufweisen, die dem Gehirn deutlich vermitteln, daß es sich um eine komplett andere Abbildung handelt, als das Gehirn es von den Augen allein gewohnt ist.

Im praktischen Einsatz ist auch zu beachten, daß das Objektiv im Vergleich zu vielen anderen Canon-Objektiven recht kurz ist (es ist das kleinste, was ich für EOS-Kameras habe). Zusammen mit dem großen Bildwinkel erfordert dies eine spezielle Kamera- und Fußhaltung bei Freihandaufnahmen, damit die Füße nicht aufs Bild kommen - oder auch dieser oder jener Finger von der Hand am Objektiv. Dazu stellt man am besten den vorderen Fuß quer zur Aufnahmerichtung, beugt sich vor, stabilisiert mit dem anderen Bein als Gegengewicht. Die Arme werden dicht an den Körper gedrückt und die Finger bleiben strikt unter Kamera und hinterem Objektivteil oder um dessen Einstellringe positioniert, damit sie nicht vorne überragen. Bei Bildern in der Hocke, von Objekten am Boden oder gar bei Positionen des Kopfes in Bodennähe für Bilder aus der Froschperspektive können sich kompliziertere Verrenkungen ergeben, um die eigenen Extremitäten außerhalb des Bildausschnittes anzuordnen.
Bei tiefstehender Sonne oder sonstigem Licht von hinten kann zudem leicht der eigene Schatten ins Bild geraten. Vielfach kann es also hilfreich sein, draußen an bewölkten Tagen zu arbeiten oder eben im Gegenlicht.

Bei Stativaufnahmen ist natürlich auch darauf zu achten, daß die Stativfüße nicht ins Bild ragen, dazu kann es notwendig sein, von den drei Füßen einen nach hinten zu verlängern, um das Objektiv in solch einer Schräglage des Stativs über die Position der vorderen beiden Füße hinauszubringen. Zwar ist das Objektiv nicht sonderlich schwer, trotzdem kann ein so schräg aufgestelltes leichteres Stativ ein Gegengewicht erfordern, damit des nicht umfällt - im Zweifelsfalle würde alles auf die Frontlinse fallen und der Spaß wäre vorbei ;o)
Eine andere Variante ist natürlich das 360-Grad-Panorama in einem Bild. Dazu montiert man die Kamera am besten in einer Mulde mit Aufnahmerichtung senkrecht nach oben auf einem Stativ und löst mit einem Funkauslöser aus, während man sich selbst hinter einem nahegelegenen Baum oder sonstigem Motivteil versteckt.

Canon weist im Handbuch darauf hin, daß es mit der Belichtungsautomatik Probleme geben kann. Nach meiner Erfahrung funktioniert die meist jedoch ganz gut, sofern man nicht gerade die Integralmessung verwendet. Man könnte erwarten, daß besonders die dicken schwarzen Ränder links und rechts beim runden Bild zu Fehlbelichtungen führen. Ohne Integralmessung kann man den Effekt jedoch praktisch vergessen. Ursache draußen für Fehlbelichtungen ist nach meinem Eindruck meistens eher, daß sehr viel Himmel auf dem Bild ist, was dann zu einer Unterbelichtung des Hauptmotivs führen kann - also öfter mal direkt nach der Aufnahme die Bilder angucken, das Rohdatenformat immer abspeichern und bei großem Himmelanteil ein oder zwei Blenden mehr spendieren oder es mit der Spotmessung versuchen.

Bei den großen Brennweiten erweisen sich sogar Aufnahmen mit dem Blitzgerät als erstaunlich unproblematisch, obgleich dieses natürlich so große Bildwinkel allein gar nicht ausleuchten kann. In der Praxis reicht es allerdings, auf den Blitz einen Diffusor ('Yoghurtbecher' für ein paar Euro) aufzusetzen.
Bei den kleinsten Brennweiten verbleibt dann der Schattenwurf des Objektivs im unteren Bereich des Bildes, weil trotz der Kürze des Objektiv wohl jedes Blitzgerät, welches oben auf der Kamera aufgesteckt ist, einige Zentimeter hinter dem Objektiv enden wird. Auch wenn man es vom Blitzschuh trennen kann, kann man es ja nicht vor dem Objektiv positionieren, weil es dann im Bild wäre. Für diese Fälle müßte man es wohl mit zwei Blitzen links und rechts oder oben und unten versuchen - oder mit einem Ringblitz mit ausreichend großem Durchmesser, bei dem es natürlich wiederum etwas kniffliger sein dürfte, sich einen Diffusor zu beschaffen, der alles vor dem Blitz komplett ausleuchtet.

Weil ja alle geraden Linien, die nicht durch die Bildmitte gehen, gekrümmt dargestellt werden, ergibt sich aus der Neigung der Kamera auch eine Krümmung der Horizontlinie. Bei Aufnahmen in einer Ebene entsteht dann entweder der Eindruck, man stehe in einer Kuhle oder auf einem Hügel. Um den Eindruck zu vermeiden, ist also die Horizontlinie direkt ins Bildzentrum zu legen, was wiederum zur Folge hat, daß oft recht viel Himmel auf dem Bild ist, Konsequenzen sind bereits erläutert worden.
Interessant ist auch zu beachten, daß eine seitliche Verschiebung des Objekivs nur die Größe der Objekte am Rande relativ zueinander verändert, eigentlich nicht, was insgesamt alles für Objekte aufgenommen werden, dazu ist die Kamera in Aufnahmerichtung zu verschieben oder aber zu verschwenken, was auch zu unerwünschten Perspektiven führen kann.

Ob es nun sinnvoller ist, mit gekrümmten Linien eines Fischaugenobjektivs zu leben oder mit den typischen und unvermeidbaren Verzerrungen von Superweitwinkelobjektiven, ist eine Geschmacksfrage. Hat man beides, muß man sich aber nicht unbedingt für das eine oder andere entscheiden, sondern kann beides versuchen. Je nach Motiv muß man sich in beiden Fällen einiges Geschick aneignen, um die speziellen Abbildungseigenschaften der beiden Objektivtypen auf 'normalen' Bildern nicht allzu auffällig werden zu lassen. Beim Fischauge ist jedenfalls immer mehr drauf - und das kann auch ein wichtiges Argument sein, wenn man durch Mauern oder Abgründe eingeengt nicht einfach einen Schritt zurück machen kann oder sollte.

Neben den Bildern von Objektiv und Kamera habe ich in die Galerie noch die Bilder vom ersten kurzen Ausflug in Hannover Herrenhausen aufgenommen (Haltenhoffstraße, Kirche, Markt etc), um einen Eindruck zu vermitteln. Dazu gibt es noch ein paar Beispiele zu besonders geeigneten Motiven und zu dem Aspekt, daß Kugeln als Kugeln dargestellt werden, anders als bei Superweitwinkelobjektiven.

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