Öffentliche Kunst in Hannover

'Stuhlbrunnen'

Der Brunnen besteht aus einem runden Brunnenbecken aus Stein, drei Stühlen aus massivem, rostigem Stahl, einigen blauen Mäuerchen in Wellenform überall über den Marktplatz verteilt und schließlich auf einem Stuhl ein kaskadenartiger Aufbau von Schalen und Rinnen, über welche Wasser über Stufen ins Becken fließt. Dazu gibt es eine blaue, vertikale Stange am Stuhl mit der Kaskade, an der weitere Schalen verteilt sind, über die aber kein Wasser fließt - oder allenfalls bei Regen, dafür nimmt das Blau das Thema der blauen Wellenmäuerchen wieder auf und verbindet sie mit dem Blau des Himmels, verbindet so also die Horizontale mit der Vertikalen, das Oben mit dem Unten. Die blauen Wellen gehen vom Brunnen aus in die Gemeinde, verebben dort oder auch nicht? Die Gruppe aus Stange und Stuhl mit Kaskade ist insgesamt auf einer Stahlplatte neben dem Brunnenbecken angeordnet.

Ein schnabelartiger Kopf oder Stierschädel auf der Stuhlrückenlehne bildet oben die eigentliche Quelle des Brunnens. Von dort fällt das Wasser in eine erste Schale. Eine Rinne geht über eine weitere Schale etwas über der Höhe der Sitzfläche hinunter zum Becken. Eine andere Rinne führt erst zur blauen Stange, herab zu einer Schale über einer Armlehne, von wo das Wasser auf die Sitzfläche fällt und von dort über eine weitere Rinne ins Becken. Im Becken selbst scheint ein abstrahiertes Wesen oder auch nur der Kopf davon auf einer Stahlplatte zu liegen, Krokodil? Hund? Jedenfalls mit stilisierter Blume am Kopf.

Ein anderer Stuhl steht neben dem Brunnenbecken dem ersten grob gegenüber. In den Rand des Brunnens ist hier eine Absenkung aus rostigem Stahl integriert und verknüpft damit den zweiten Stuhl mit dem Rest. Obwohl etwas überdimensioniert, ließe sich dieser Stuhl sogar zum Sitzen verwenden, wenngleich sicher nicht sehr bequem. Abriebspuren am Rost lassen darauf schließen, daß hier wirklich bisweilen gesessen wird.

Dies Ensemble befindet neben dem Rathaus im Zentrum, im Herzen Altwarmbüchens, wo vielleicht sogar bisweilen das Leben pulsiert. Der dritte Stuhl findet sich hingegen deutlich abseits auf dem neuen Friedhof. Es ist nicht ganz klar, ob das zum ursprünglichen Konzept gehört, wie vielleicht auch das Blau der Stange. Jedenfalls wird so elegant der Bogen gespannt zwischen dem Zentrum des Ortes und der Ruhezone der Toten. Es wird eine Verbindung hergestellt zwischen den Lebenden und den Toten. Wer mag, kann ja auf dem Friedhof auf dem überdimensionierten Stuhl schon mal proberuhen und sich etwas solidarisieren. Während am belebten Marktplatz die Metallflächen zwar auch rostig sind, sind sie bei dem Friedhofsstuhl zusätzlich deutlich mit Moosen und Flechten bewachsen. Auch das unterstreicht nochmal die größere Ruhe auf dem Friedhof, wo es wohl weniger verspielte Kinder und Erwachsene gibt, die unbedingt mal auf den Stuhl wollen, um probezuruhen.

Auch die Materialwahl und die massigen, trägen Proportionen der Stühle relativ zum fröhlich leicht plätschernden Wasser, das verspielte Motiv des beblumten Tiers im Becken und der stiertotenschädelartigen Quelle unterstützen den Kontrast zwischen Leben und Tod, Dynamik und Statik, die Ambivalenz des Gesamteindruckes des Objektes.

Der Stuhl kann ja auch als Symbol fürs Warten, Ausruhen gelten, aber auch für geselliges Beisammensein. Der einzelne Stuhl auf dem Friedhof dann wohl eher das abseitige, einsame Warten und endgültige Ruhen, im Zentrum mehr die fröhliche Geselligkeit mit Blümchen im Haar des im Brunnen ruhenden (Haus-)Tieres. Mit dem Warten ergibt sich auch die Assoziation zum Verrinnen, versickern der Zeit, unserer Reise vom Leben zum Tod. Und wie im Zentrum das Wasser dahinrinnt, so rinnt uns die Zeit durch die Finger, wenn wir unsere Erlebnisse nicht als Erinnerungen pflegen. Beim Stuhl auf dem Friedhof fehlt die Dynamik des rinnenden Wassers, alles ist ruhig, still und vorbei. Der Strom der Zeit, das Rinnsal des Lebens des Einzelnen endet hier.

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